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Blogbeitrag

Was Zebrastreifen mit einem freiheitlichen Lebensentwurf zu tun haben

In den letzten 2 Wochen hat eine Posse um Dutzende temporäre Zebrastreifen in Rödermark das Sommerloch gefüllt. Da diese Posse auch etwas mit dem Ansehen von Verwaltung und Politik beim Bürger zu tun hat und ich von Anfang an damit zu tun hatte, habe ich dazu diesen Blogbeitrag verfasst. Ich habe als Privatperson in diesem Zusammenhang zwei Antwortschreiben aus dem Ordnungsamt erhalten. Ich werde weder die Verfasser nennen, noch wörtlich daraus zitieren. Da die Aussagen aber einen Teil des Problems darlegen, habe ich mich entschlossen, die Antworten zumindest teilweise in eigenen Worten wiederzugeben. Die Verfasser mögen es mir bitte verzeihen. Auch, dass ich mir Polemik und Sarkasmus an der einen oder anderen Stelle nicht verkneifen konnte. Ich möchte niemanden persönlich angreifen, ich möchte nur gerne die Denkweise in der Verwaltung etwas verändern.

Es mag sein, dass die Markierungsfirma etwas falsch verstanden hat oder dass die Telekom unklare Anweisungen gegeben hat. Aber so einfach lasse ich unser Ordnungsamt und damit die Stadt Rödermark nicht aus der Verantwortung. Denn es ist schließlich das Ordnungsamt, das solche Verkehrssicherungsmaßnahmen anordnet (und zu überwachen hat). Wie überall im Leben gibt es bei solchen Anordnungen Spielräume, sie können eindeutig formuliert sein oder Interpretationsspielraum zulassen. Nach meiner Meinung scheint unser Ordnungsamt manchmal den Blick dafür verloren zu haben, was notwendig ist und was jeglicher Grundlage entbehrt.
Ich stelle in diesem Zusammenhang folgende Fragen: Ich habe das Ordnungsamts bereits am Tag des Aufmalens der ersten Zebrastreifen (24. Juli) darüber informiert, dies hier völlig unsinnig markiert wurde. Ich habe außerdem den Webmaster von rm-news.de informiert, dass hier wieder mal Schilda in Rödermark gespielt wird, worauf rm-news Fotos gemacht und diese am 25. Juli veröffentlicht hat. Warum wird die Aktion dann erst eine Woche und über 30 weitere Zebrastreifen später gestoppt?
Ich habe übrigens bereits am 24. Juli mit den Arbeitern der Markierungsfirma gesprochen, die bei 36 Grad im Schatten Zebrastreifen auf die Fahrbahn malte. Sie verstehen den Auftrag auch nicht und haben noch nie so unnütze Streifen auf die Fahrbahn gepinselt, aber der Auftrag laute nun einmal: alle 100 m muss ein Behelfszebrastreifen auf die Straße gemalt werden. Also machen sie das.

Das Ordnungsamt hat schnell geantwortet. Hier die Essenz: Da das Regelwerk für Gefahr und Arbeitsstellensicherung das Verkehrszeichen 1000-22 an der Straße nicht vorsieht, wurden Fußgängerüberwege markiert, um den Bürgern die Überquerung zu ermöglichen, wenn die Baumaßnahme den jeweiligen Abschnitt erreicht hat.
2 Anmerkungen dazu: 1000-22 (Frau mit Kleinkind an der Hand und Pfeil nach rechts oder links, schwarz auf weiß) ist ein Verkehrszeichen nach StVO. Dieses Zeichen wird in anderen Städten z.B. bei Gerüstarbeiten oder Gehwegarbeiten ständig benutzt, häufig mit dem VZ 2140 „Fußgänger bitte andere Straßenseite benutzen“. Bei den aktuell gleichzeitig stattfindenden Arbeiten im Breidert wird mit diesem Verkehrszeichen gearbeitet und nirgendwo wurden Zebrastreifen aufgemalt. Wo ist der Unterschied zwischen Breidert und Gewerbegebiet? Googelt man nach Bildern von beiden Zeichen, findet man seltsamerweise an dieser Stelle nie einen aufgemalten Behelfszebrastreifen. Eine für den Laien verständliche Erklärung, warum diese gängige Form der Baustellenkennzeichnung in Rödermark nicht möglich ist, vermisse ich bisher von der Stadt.
2. Anmerkung: Die Fußgängerüberwege wurden markiert, um Bürgern die Überquerung zu ermöglichen? Das heißt im Umkehrschluss: bisher war es den Bürgern nicht möglich, hier die Straße zu überqueren? Hält man die Bürger eigentlich für blöd? Ich darf und kann nach meinem Kenntnisstand als Fußgänger überall die Straße überqueren (außer in unmittelbarer Nähe von einer Lichtsignalanlage mit Fußgängerquerungshilfe oder eines Zebrastreifens und bei Autostraßen und Autobahnen). Das passiert auch in Rödermark täglich und führt in der Regel nicht zu schweren Unfällen.

Nach Rückmeldung meinerseits, wo ich nochmals die Unsinnigkeit dieser speziellen Markierungen herausgestellt habe, die weit über das Ziel Gefahrenabwehr hinausgehen und mit gesundem Menschenverstand nichts mehr zu tun haben, wurde mir freundlicherweise am 26. Juli erneut geantwortet. Die Haltung des Ordnungsamtes wird wie folgt begründet: Ich dürfe nicht nur von mir ausgehen, sondern solle auch an Gehbehinderte, Rollstuhlfahrer, Kinder usw. denken. Wenn durch die aus meiner Sicht überzogenen Maßnahmen nur ein einziger Unfall verhindert werden würde, hätten sie sich rentiert.

Ich bin weiterhin der Meinung, dass man es sich hier viel zu einfach macht. Nach dieser Herangehensweise müsste man also im ganzen Stadtgebiet, zumindest bei jeder Kreuzung und Abzweigung, nur einen Zebrastreifen aufmalen und wäre dann die ganze Verantwortung und Haftung los. Nehmen wir das Beispiel Lengertenweg: 200 m Straße, kaum 5 m breit, nun mit 3 Übergängen versehen. Warum sollte ein Gehbehinderter die Straße an einer Stelle queren, an der es auf der anderen Seite keinen Bürgersteig gibt und wo der Zebrastreifen in einem Busch endet? Auf der anderen Seite muss er auf dem Weg zum Bahnhof (ein realistisches Szenario) die Breubergstraße und die Odenwaldstraße queren und das ohne Querungshilfe. Ob er das schafft? Bei einer Verkehrsdichte von im Schnitt maximal einem Auto alle 2 Minuten. Hmm.
Im Lengertenweg gibt es wenigstens noch Fußgänger, im eigentlichen Gewerbegebiet sieht es da schon anders aus. Nehmen wir die Max-Planck-Straße. Geschätzte 30 Fußgänger am Tag treffen auf 400 Autos. Brauche ich da wirklich eine Querungshilfe?
Auf der anderen Seite: als die Arbeiten im gepflasterten Teil des Lengertenweges im Gange waren, standen überall Baufahrzeuge und Bauarbeiter herum, die Fahrbreite war auf 2,5 m begrenzt, man musste Schlangenlinien fahren, Begegnungsverkehr war unmöglich. Davor wurde man als Autofahrer aber nicht gewarnt und prompt musste ich 40 m kurvenreich rückwärts fahren.

Wie viel Freiheit ist mir meine Sicherheit wert? Ich möchte diese sehr generelle und fundamentale Frage hier nur für die Verkehrssicherheit teilweise beantworten. Mir als Liberaler ist meine persönliche Freiheit sehr viel wert und ich fühle mich entmündigt, wenn man mir nicht zutraut, eine wenig befahrene Nebenstraße ohne Zebrastreifen zu überqueren. Ich fühle mich auch entmündigt, wenn ich an einer Ampel wertvolle Lebenszeit verschwende, nur weil man mir plötzlich nicht mehr zutraut, auf einer 5 m breiten Straße mit Begegnungsverkehr klarzukommen.
Ich habe Verständnis für die Stadt, wenn sie möglichst wenig Risiko eingehen möchte. Eine 100%ige Sicherheit kann es aber nie geben. Eine 99,999%ige Wahrscheinlichkeit, dass nichts passiert, ist aus meiner Sicht ausreichend. Die hätte man in diesem Falle auch ohne Dutzende Zebrastreifen. Ich brauche keine weiteren 3 Neuner hinter dem Komma. Das ist eine Entmündigung der Bürger, die für ihr Leben und ihre Sicherheit doch noch auch ein bisschen selbst verantwortlich sein sollten. Wenn ich irgendwo einen Fußgänger anfahren sollte, ist mein erster Gedanke mit Sicherheit nicht, was hat die Stadt hier schon wieder für einen Mist gebaut.
Ich fälle als Stadt Rödermark doch auch nicht alle Bäume, damit auch ja kein Spaziergänger oder Nutzer eines Kindergartens oder Spielplatzes von einem herunter­fallenden Ast verletzt wird. Es muss eine Grenze des gesunden Menschen­verstands geben. Die ist nach meiner Auffassung hier überschritten.
Und es ist nicht der erste Fall, der die Anwohner von Ober-Rodens Süd-Westen betrifft. Ich erinnere nur an die bereits erwähnte sinnfreie Ampel im Lengertenweg, weil ja durch die komplette Sperrung der Odenwaldstraße hier angeblich so viel Verkehr durchfließt, dass dies nur über eine Behelfsampel zu managen ist, die den Verkehr in eine Richtung für mehrere Minuten komplett ausbremst. Auch hier nach Bürgerbeschwerden keinerlei Einsicht des Ordnungsamtes.
Oder der Kreisel an der Einmündung der Tiefgarage der neuen Wohnanlage in der Odenwaldstraße, dessen Notwendigkeit bis heute kein Anwohner versteht und der zum Gespött der Ober-Röder wurde.
Während der Bauphase dieser Wohnanlage richtete die Stadt auf der Odenwaldstraße Parkmöglichkeiten für Baufahrzeuge ein. Da damit die halbe Straße blockiert war, hielt man es seitens des Ordnungsamtes für notwendig, die Odenwaldstraße für fast 20 Monate zur Einbahnstraße zu machen und zwang die Bürger somit, Umwege in Kauf zu nehmen. Dass es die Verkehrszeichen 208 und 308 auch getan hätten, darauf ist man nicht gekommen. Andere Kommunen hätten das bei dieser weithin einsichtigen Straße so gemacht, aber Rödermark ist ja anders. Aber es kommt ja noch schlimmer. Nach meiner Erinnerung war Parken vorher nur in markierten Bereichen erlaubt, jetzt ist es auf der östlichen Seite jedenfalls möglich, so dass nun die Odenwaldstraße auf der Bahnseite von weit hinter der Aidseestraße bis zum Kreisel werktags nahezu immer zugeparkt ist. Wegen 60 m Straße, wo kein Begegnungsverkehr möglich ist, macht man eine Einbahnstraße und jetzt hat man oft über 200 m, wo kein Begegnungsverkehr möglich ist und alles ist okay?
Wären die Geschichten um die Schildbürger nicht um 1600 herum entstanden, sondern heute, der Schauplatz wäre nicht Schilda, sondern Rödermark.

Aber wehe, es gibt wirklich Gefahrstellen auf unseren Straßen. Da handelt man lieber nach dem Motto: Augen zu und durch. Da sind Schilder und Verkehrszeichen durch Pflanzenbewuchs nicht mehr voll einsehbar, Pflanzen auf städtischem Gelände wohlgemerkt, interessiert das die Stadt meist nicht. Wenn man an einer Einmündung aber so weit vor fahren muss, dass man schon auf der Fahrbahn steht, bis man den Verkehr sieht, ist das in meinem Augen wirklich eine Gefahr. Wenn man Glück hat, reagiert man auf Hinweise dieser Art in 4 Wochen, wenn man Pech hat, gar nicht. Fahren Sie doch mal die Frankfurter Straße in Ober-Roden Richtung Tankstellenkreuzung. Wie viele Meter vor der Kreuzung erkennen Sie, dass hier eine Ampel steht? Das sind bei weitem keine 100 m.
Waren Sie im Juli mal auf der Bulau? An manchen Stellen führt Begegnungsverkehr dazu, dass Sie den Kontakt mit Sträuchern nicht vermeiden können. Der Stadt war das seit Wochen bekannt, nichts passierte, bis es einem Anwohner reichte und er selbst Hand anlegte. Da solche Eigeninitiative nicht erlaubt ist und man statt Lob eher einen Bußgeldbescheid bekommt, wird hier niemand genannt.
Wir bleiben auf der Bulau: eine Zone 30 kann nur innerhalb geschlossener Ortschaften angeordnet werden. Sie werden dort allerdings nur das Zone 30-Schild finden, aber kein Ortsschild. Und das schon seit Jahren und trotz permanenter Hinweise der Anwohner. Aber die Stadt lässt ja lieber Zebrastreifen auf die Straße malen und stellt Ampeln auf…
Diese kleinen Beispiele lassen sich beliebig erweitern.

Liebe Frau Schülner, bitte sorgen Sie als neue zuständige Dezernentin dafür, dass unsere Stadt und speziell unser Ordnungsamt nicht noch mehr zum Gespött der Leute wird. Es freut mich, wenn Rödermark überregionale Aufmerksamkeit erlangt, aber doch bitte durch positive News und nicht durch solche Schildbürgergeschichten. Sie können und sollten sich in der Öffentlichkeit gerne hinter ihre Mitarbeiter stellen, wie mit dem Pressebericht der Stadt geschehen. Ich würde genau dasselbe tun. Aber intern sollten Sie dafür sorgen, dass solche Fälle wie hier geschildert nach Möglichkeit nicht mehr vorkommen. Ein bisschen mehr gesunder Menschenverstand, ein bisschen weniger hinter Paragraphen verstecken, ein bisschen mehr Mut – und ich wäre nicht so häufig genötigt, meinen Unmut niederzuschreiben und könnte meine knappe Zeit sinnvoller nutzen.

Herzlichen Glückwunsch übrigens an die 4 Jungs von der Kolping. Herrlich! Man braucht in Rödermark manchmal Humor und den habt ihr hier gezeigt.

Und eine Anmerkung noch: der Zebrastreifen zwischen Netto und Plus hat sich bewährt! Er wird ständig genutzt und mich haben schon mehrere Personen angesprochen, dass ich mich dafür einsetzen soll, dass dieser Zebrastreifen bleibt. Das verspreche ich hiermit, auch wenn ich nicht versprechen kann, dass das Ordnungsamt auf mich hört. Hat es bisher schließlich auch nicht getan.

Rüdiger Werner
11. August 2019

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