Blogbeitrag

Haushaltsdebatte – das Spiel mit der Macht

Haushaltsdebatte – das Spiel mit der Macht – Von Dr. Rüdiger Werner

 

Dr. Rüdiger Werner
Dr. Rüdiger Werner

Dr. Rüdiger Werner
29.04.2012
Es gab einmal eine Partei, die war nach eigenen Angaben lange Jahre in Rödermark die führende Oppositionspartei. Diese Partei hatte einen politischen Gegner, der traditionell die stärkste politische Kraft vor Ort war und ist, den sie lautstark und mit aller Energie bekämpfte. Einer der Hauptkritikpunkte war immer die „Arroganz der Macht“, die die anderen an den Tag legten. Es gehe nicht um Inhalte, es gehe um Köpfe, um Vorteilnahme, um Machterhalt. Man selbst sei dagegen basisdemokratisch und sehe ausschließlich die Sache und das Wohl der Allgemeinheit im Vordergrund. Diese Bewertung mag zeitweilig sogar der Wahrheit entsprochen haben, aber Zeiten ändern sich bekanntlich … Heute koalieren die ehemaligen politischen Gegner miteinander – bislang sogar ohne Zwist in der Öffentlichkeit, man hat sich mit der Arroganz der Macht arrangiert und sehr schnell ein Verhalten an den Tag gelegt, dass sich in diesem Punkt nicht von dem des Koalitionspartners unterscheidet.
Kommunalpolitik in Rödermark ist für kleinere Oppositionsparteien ein sehr schwieriges Terrain geworden. Was man bei den Haushaltsdebatten in den Monaten September 2011 bis März 2012 in dieser Hinsicht erleben konnte, darüber berichtet dieser Blog.
Haushaltseinbringung und Blätterrunde
Jedes Mal im Herbst läuft Kämmerer Alexander Sturm (CDU) zur Hochform auf. Bei der Einbringung des Haushaltes werden klar und schonungslos die Entwicklungen aufgezeigt, dass Dilemma vor Augen geführt, in dem Rödermark steckt, die beängstigenden Szenarien vorgestellt, was bei einem „weiter so“ passieren würde. Jedem rational denkenden Menschen müsste bei diesen Horrorzahlen sofort klar sein, dass es ein „weiter so“ nicht geben darf, nicht geben kann. Dass es Einschnitte geben muss, Leistungen wegfallen müssen, die Bürger mehr zur Kasse gebeten werden müssen. Bei der Frage, wo soll gespart werden, sollte der Bürger mitreden dürfen, daher wurde ein Fragebogen zum Haushaltsentwurf erstellt und an alle Haushalte Rödermarks verteilt. Die Rücklaufquote war mit rund 1300 ausgefüllten Fragebögen geradezu sensationell hoch.
An die Haushaltseinbringung sowie das Verteilen der Haushaltsentwürfe an die Stadtverordneten schließt sich traditionell die sogenannte Blätterrunde an, ein Termin bei dem die Fachbereichsleitungen anwesend sind und die Stadtverordneten Verständnisfragen zum Haushalt stellen können. Kämmerer und Finanzverwaltung baten diesmal darum, nach Möglichkeit die Fragen vorher schriftlich einzureichen, damit die Verwaltung sich besser vorbereiten kann.
Schaut man sich die Aufgabenfelder eines Stadtverordneten laut Hessischer Gemeindeordnung an, steht an oberster Stelle, als wichtigste Aufgabe, die Verabschiedung des kommunalen Haushaltes. Wir bestimmen also letztendlich darüber, wo wie viel Geld zur Verfügung gestellt wird, um die kommunalen Aufgaben wahrnehmen zu können. Nun weist Rödermark 2012 zum 4. Mal in Folge im Haushaltsentwurf ein Defizit von über 8 Millionen € auf. Wenn ich als Stadtverordneter also ein Mitverantwortung habe dafür, dass der städtische Haushalt ausgeglichen wird (steht auch ganz oben im Gesetzestext: Die Kommune hat einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen), wenn das sozusagen meine wichtigste Aufgabe ist, dann ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich mir den städtischen Haushalt auch genau anschaue und Überlegungen dahingehend anstelle, wie man das Ziel erreichen kann, wie man das Defizit verringern kann. Da ich neu bin in der Stadtverordnetenversammlung (die wir alle nur kurz ‚Stavo’ nennen), mir also die jahrelange Erfahrung manches Kollegen fehlt, kamen beim Durchblättern entsprechend viele Fragen auf: Warum hat sich die und die Haushaltsposition im Vergleich zu den Vorjahren so stark geändert? Welche Aufgaben, welche Leistungen sind hinter diesem und jenem Budget versteckt? Und, und, und… Wenn man Sparvorschläge machen will, benötigt man einen tiefgehenden Einblick in die Materie und um den bekommen zu können, muss man die entsprechenden Fragen stellen. Das habe ich mit meinem Kollegen Tobias Kruger dann gemacht. Wir haben uns hingesetzt, unsere Fragen abgestimmt, ausformuliert, formatiert und nummeriert und fristgerecht der Verwaltung übergeben. Am Ende waren es 71 Fragenkomplexe auf 7 Seiten Papier! Wir waren natürlich die einzige Fraktion, die überhaupt – wie gewünscht und zwischen den Fraktionen eigentlich ausgemacht – schriftliche Fragen vorab eingereicht hat.
Von einigen Fraktionen wurde gleich der Unmut geäußert, wir würden damit die Verwaltung überfordern. Papperlapapp, dass ist unsere ureigenste Aufgabe! So tief, wie dieses Mal, wurde noch nie über den Haushalt diskutiert, für die anwesenden Stadtverordneten waren die 3 Sitzungen (so lange hat es am Ende gedauert) äußerst informativ und auch aus der Verwaltung hat uns ein überwiegend positives Feedback erreicht. Auf der einen Seite wurde klar, es gibt Stadtverordnete, die ihre Aufgabe ernst nehmen, die wissen wollen, wie die Verwaltung funktioniert, auf der anderen Seite wurde aber auch klar, dass zu große Budgets von Verwaltungsseite aus nicht mehr so leicht zu kaschieren sein werden, wie das in der Vergangenheit vielleicht möglich war.
Was haben nun die anderen Parteien gemacht?
Freie Wähler: waren immer anwesend, haben sich viel notiert und gelegentlich eigene Fragen gestellt.
SPD: glänzte weitestgehend durch Abwesenheit, haben insgesamt nur eine einzige Frage gestellt.
CDU: von der zahlenmäßig größten Fraktion waren nur zwischen 2 und 5 Stadtverordnete anwesend, außer höhnischen Kommentaren in Richtung FDP hat die CDU es geschafft, während aller 3 Sitzungstage keine einzige eigene Frage zum Haushalt zu stellen. Der Haushalt weist eine Unterdeckung von 9 Millionen € auf und die größte Fraktion hat keine einzige Frage? Mich würde interessieren, wie viele Kolleginnen und Kollegen der CDU überhaupt einen Blick in das Zahlenwerk geworfen haben…
Bleiben AL/Grüne: diese haben trotz eines Bürgermeisters in ihren Reihen, der für über 95 % des Budgets verantwortlich ist, nach uns die meisten Fragen gestellt und haben auch zahlenmäßig ihre Kollegen aus CDU und SPD immer übertroffen.
Haushaltsanträge
Die Zeit zwischen diesen Blätterrunden und der Ausschussrunde, in der die Haushaltsanträge der Fraktionen beraten werden sollten, war sehr kurz. In diese Zeit fiel auch noch die Vorstellung des Ergebnisses der Bürgerbefragung zum Haushalt. Daher hat der Ältestenrat (ein Gremium, das Formalien rund um die Stadtverordnetenversammlung berät und beschließt) beschlossen, die Deadline zur Abgabe der Haushaltsanträge auf den Freitag vor der Ausschusswoche (dort werden alle Verwaltungsvorlagen und Anträge der Fraktionen inhaltlich beraten) zu legen. Spätestens an diesem Tag sollten alle Haushaltsanträge vorliegen.
Für uns als FDP war klar: wir können weitere 9 Millionen € neue Schulden nicht hinnehmen, wir müssen Vorschläge machen und Möglichkeiten aufzeigen, das Defizit zu verringern. Also haben wir eine Haushaltsklausur durchgeführt, haben uns fast jeden Tag getroffen und beraten, haben die Vorschläge ausformuliert und begründet und haben es tatsächlich geschafft, gemäß der interfraktionellen Absprache am Freitagabend 37 ausformulierte Anträge in der gewünschten Form abzugeben (2 weitere folgten am Sonntag). Wer sich für die Inhalte unserer Anträge interessiert, sollte meinen Blog „die Haushaltsanträge der FDP“ lesen. Damit waren wir die ersten! Bis zum Montag lagen auch jeweils 3 Anträge von FWR und CDU/AL vor, die SPD schaffte es gar erst am letzten Tag der ursprünglichen Ausschussrunde, ihre Anträge abzugeben. Soviel zum Thema „Halten an Absprachen (Frist) aus dem Ältestenrat“.
Ein Haushaltsantrag ist rein formal ein Antrag, im Haushaltsentwurf einer Kommune eine oder mehrere Positionen zu verändern. Dazu sollte man idealerweise das Produkt nennen, den genauen Posten, der verändert werden soll, sowie den Betrag, um den verändert werden soll. Eine Begründung ist nicht zwingend vorgegeben, erleichtert aber die Debatte und ist daher Usus. Alle unsere Anträge waren nach diesem klaren Schema formuliert, wobei die Begründungen notgedrungen (kein Geld da) teilweise identisch waren. Jeder, der der deutschen Sprache mächtig ist, konnte nach dem Durchlesen unserer Anträge aus jedem einen exakten Handlungsauftrag an die Verwaltung übernehmen.
Warum ich diese Selbstverständlichkeiten überhaupt erwähne? Schauen Sie sich einmal 2 der 3 Haushaltsanträge der Koalition an! Da haben wir zum einen den sogenannten „Konkretisierungsantrag“. Was hat es damit auf sich? Bei der Bürgerbefragung zum Haushalt haben erstaunlich viele Bürger bei erstaunlich vielen Produkten eine Reduzierung oder Einstellung der Zuschüsse zu diesen gefordert. Die Koalition wollte nun dieses Bürgervotum irgendwie mit der Brechstange aufnehmen und zeigen, dass man den Bürger ernst nimmt. Also hat man zu den 14 Produkten, die in der Wertigkeit bei den Bürgern am schlechtesten abgeschnitten haben, einen Satz formuliert, der einen Handlungsauftrag für den Magistrat darstellen soll. Beispiel? „Hier sind die Kosten einer kritischen Prüfung zu unterziehen.“ Erstens sollte das eine Selbstverständlichkeit einer Verwaltung sein, dass sie die Kosten stets und von sich aus einer kritischen Prüfung unterzieht. Und zweitens ist das kein konkreter Handlungsauftrag, schon gar kein haushaltsrelevanter. Und so geht es weiter: keine Begründung, oft soll den Bürgern nur mit erhobenem Zeigefinger erklärt werden, warum das Produkt trotz Ablehnung durch den Bürger trotzdem wichtig ist (Frauenbeauftragte, Integration). Hätten wir als FDP so einen „Antrag“ formuliert, hätte man in uns schon aus rein formalen Gründen um die Ohren gehauen. Aber man hat ja die Macht, da kann man sich alles erlauben!
Es kommt aber noch besser. Ein weiterer Koalitionsantrag lautet: Produkthaushalt 2012 – Veränderungen. Dieser „Antrag“ entspricht keinem der in Rödermark seit Jahren einstimmig selbstgegebenen Formalien für Anträge, er enthält weder eine Begründung noch einen Beschlusstext, vielmehr besteht er nur aus einer einfachen Tabelle mit einer Reihe von Positionen: Produkt, Beschreibung (1 bis 5 Worte), Einsparbetrag. Dieser Antrag hätte so nie für den Geschäftsgang zugelassen werden dürfen! Dieser Antrag ist eine Unverschämtheit, eine blanke Verhöhnung des Parlaments! Auf die Frage, wie denn die Verwaltung aus diesem Wisch einen exakten Handlungsauftrag ablesen will, kam vom Kämmerer nur die Antwort: ich weiß schon, was damit gemeint ist. Bei einer 75 %-Mehrheit kann man halt machen, was man will. Für die Opposition keine Chance, hier die vereinbarten Rechte und Pflichten durchzusetzen. Arroganz der Macht, wie die AL noch vor kurzer Zeit so ein Verhalten zu nennen pflegte. Uns dann auch noch – wie vom AL/Grüne-Stadtverordneten Michael Uhe-Wilhelm mehrfach geäußert – handwerklich schlecht gemachte Anträge vorzuwerfen, ist in diesem Zusammenhang an Dreistigkeit schon kaum mehr zu überbieten. Liebe Kollegen, wir sind bestimmt nicht perfekt und schon gar nicht allwissend, aber das war wirklich schlechter Stil und ich fordere Euch auf, in Zukunft den Standard, den ihr von den kleineren Oppositionsparteien immer fordert, wenigstens in Ansätzen selbst einzuhalten.
Haushaltsberatungen
Nun waren – sehr zum Unmut von CDU, AL/Grüne und SPD – nun mal (mit den Unterpunkten der Koalitionsanträge) über 70 Anträge im Geschäftsgang, wie damit umgehen? Zum einen mussten wir uns immer wieder Vorwürfe anhören bezüglich unserer Antragsflut. Wir würden durch die benötigte Beratungszeit unnötig Sitzungsgelder verursachen, wir würden die Verwaltung vom Arbeiten abhalten, unsere Anträge wären die reinste Zeitverschwendung und man möge uns damit in Zukunft bitte verschonen (Zitat Stadtverordnete und stellv. CDU-Vorsitzende Mona Reusch). Liebe Kollegen, seit ihr noch ganz sauber? Wir sind hier die Partei, die ihrer Verantwortung am meisten gerecht wird, die ihre Aufgaben ernst nimmt, die ohne großen Populismus versucht, die Schieflage der Gemeindekasse wieder in Ordnung zu bekommen, die sich die meisten Gedanken gemacht hat, wie das möglich sein könnte, die ohne Rücksicht auf die eigene Wählerschaft Vorschläge gemacht hat, die sich nicht scheut, unpopuläre Wahrheiten auszusprechen.
Ich wiederhole mich ungerne, aber die Beratung und Verabschiedung des Haushaltes ist unsere allerwichtigste, ureigenste Aufgabe. Und weil wir diese – im Gegensatz zu vielen Kolleginnen und Kollegen – wirklich ernst nehmen, werden wir an den Pranger gestellt? Ich habe keine Probleme damit, Kritik einzustecken, wenn ich über das Ziel hinaus geschossen bin oder schlicht Unsinn erzählt habe, aber diesen Schuh ziehe ich mir nicht an! Wir haben die Fragen und Anträge nicht gestellt, um die Kollegen zu ärgern oder deren Freizeit zu schmälern, wir wollen sachlich dazu beitragen, die Schuldenpolitik Rödermarks zu beenden und wenn das 10 Sitzungen dauert, dann dauert es 10 Sitzungen! Zeitdruck ist immer ein schlechter Ratgeber, daher sollte man sich bei diesen wichtigen Fragen die nötige Zeit nehmen. Und bei nächsten Mal 150 sinnvolle Anträge gestellt werden, dann muss man halt 150 Anträge beraten. Unser ausdrücklicher Dank gilt in diesem Zusammenhang Stadtverordnetenvorsteher Jörg Rotter, der hier das Notwendige unternommen hat, dass die Beratungen letztendlich doch in einer fairen Weise stattfinden konnten.
Ich kann nicht versprechen, dass wir uns dem Willen der anderen Fraktionen beugen und zur nächsten Runde weniger Fragen und Anträge stellen. Ich möchte am Ende meiner 5-jährigen Wahlperiode ein reines Gewissen haben und wenigstens sagen können: ich habe alles versucht. Wenn die Unvernunft der anderen stärker ist, dann ist das eben so, ich habe mir dann jedenfalls nichts vorzuwerfen. Nur weil andere das ständige Schuldenmachen als gegeben hinnehmen und weiter Wohlfühlanträge stellen (Stichwort Tontäfelchen), werde ich niemals genauso denken, nicht 2013 und auch nicht 2015.
AL/Grüne stellt den Bürgermeister und die CDU stellt den Kämmerer – es ist also klar, dass beide Parteien schon bei der Erstellung des Haushaltsentwurfes ihre wesentlichen Punkte untergebracht haben sollten. So sind die kolportierten 500.000 € Einsparungen durch Koalitionsanträge eher als vorkalkulierte Alibiveranstaltung zu sehen denn als ernstgemeinte Sparanstrengung. Insofern war unsere Erwartungshaltung bezüglich der Erfolgsaussichten unserer Anträge auch nicht sehr hoch. Man kann es sich politisch nun mal schlecht leisten, wenn die kleine FDP Einsparmöglichkeiten von 1,5 Millionen € findet, die man selbst übersehen hat. Uns blieb also nur die Kraft des Wortes, gute Argumente, die man nicht widerlegen kann und die ein Ablehnen nur schwer möglich machen. In den meisten Fällen hatten wir diese Argumente, was wir nicht erwartet haben war, dass Argumente oft überhaupt keine Rolle spielen. Man hat uns mehr oder weniger zugehört, hat uns belächelt und dann alles abgelehnt. Irgendein Pseudoargument, eine falsche Behauptung fiel der Koalition immer ein. Und wenn das einmal auch nicht der Fall war, dann hat man halt einen Änderungsantrag verfasst, der das Thema abdeckt. Man kann einem Antrag der Opposition ja unmöglich zustimmen.
Liebe Kollegen, ihr solltet euch ernsthaft fragen, ob solche politischen Spielchen mit der Macht in der ernsten Lage, in der wir uns befinden, noch zeitgemäß sind. Wir finden, sie sind es nicht! Daher haben wir konsequenterweise allen Koalitionsanträgen und Anträgen der Opposition, die auf sinnvolle Art und Weise zu Ausgabensenkungen führen oder führen können, zugestimmt – auch wenn wir unsere eigenen als zielführender ansehen. Und wenn wir 850.000 € Einsparungen beantragt haben und die Koalition will nur 170.000 € sparen, ja dann stimmen wir dem halt zu, denn 170.000 € weniger Schulden sind immer noch besser als 0 € sparen und trotzig in der Ecke sitzen. Wir würden uns auch nie hinstellen und generell alles, was von anderen Parteien kommt, nur deswegen ablehnen, weil es eben von den anderen kommt. Nach genau dieser Devise handelt die Koalition in ihrem ersten Jahr. In meinen Augen ist es einfach nur dumm, sich hinzustellen und zu sagen: wir vertreten 75 % der Bevölkerung, wir wissen, was richtig und falsch ist, wir brauchen die Ideen der restlichen 25 % nicht. Dumm und anmaßend!
Umsetzen von Beschlüssen
Zu diesem Thema passt auch ein weiterer Punkt, der zwar nicht speziell die Haushaltsberatungen betrifft, uns immer wieder verärgert und zum Thema „Spiel mit der Macht“ gehört: die mangelhafte Umsetzung von Beschlüssen. Der Magistrat (d.h. der Bürgermeister mit seiner ihm untergeordneten Verwaltung) ist per Gesetz verpflichtet, Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung schnellstmöglich umzusetzen. Eigentlich besteht auch eine Berichtspflicht seitens des Bürgermeisters über den Stand der Umsetzung (entweder in den Fachausschüssen oder in der Stavo). In Rödermark ist das leider anders. Schnell umgesetzt werden nur die Beschlüsse, die der Bürgermeister persönlich unterstützt, andere werden schon einmal auf die lange Bank geschoben oder einfach ausgesessen, teilweise so lange, bis sich die äußeren Umstände soweit geändert haben, dass die Stadtverordneten ihren damaligen Beschluss heute so nicht mehr beschließen würden. Dazu kommt, dass das Berichtswesen objektiv mangelhaft ist. Viel zu selten berichtet der Bürgermeister über den aktuellen Umsetzungsstand von Beschlüssen. In den meisten Fällen erfahren wir Stadtverordnete nur dann Details, wenn wir eine offizielle Anfrage stellen, warum bisher eine Umsetzung nicht sichtbar ist.
Beispiele dafür gibt es genügend:
Errichtung einer Großküche in Rödermark. Einstimmiger Beschluss 2008, Umsetzung 2012: null. Berichterstattung des Magistrates in den 4 Jahren: einmal unaufgefordert, einmal auf Nachfrage. Aktuell wurde der Auftrag an den Magistrat durch einen neuen Beschluss leicht verändert bekräftigt.
Parkleitsystem für Rödermark: Einstimmiger Beschluss 2008, Umsetzung 2012: null. Hier wurde die Verwaltung allerdings tätig, Pläne wurden erstellt und vorgestellt, Angebote eingeholt. Es wurden aber nie die nötigen Mittel in den Haushalt eingestellt, um die Pläne auch umsetzen zu können. Ein Antrag der FDP, nun endlich die Mittel einzustellen, um diesen offenen einstimmigen Beschluss umsetzen zu können, wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Das ist natürlich legitim, dann hätten diese Fraktionen aber auch im direkten Gegenzug den Beschluss von 2008 aufheben müssen. Nur so kommt Ordnung in das System, nur so können die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Aber man hat ja die Macht, da muss man sich ja nicht mehr an die Hessische Gemeindeordnung halten. Der Beschluss ist also immer noch rechtskräftig und eigentlich ist der Bürgermeister immer noch angehalten ihn umzusetzen.
Videoüberwachung an den Bahnhöfen. Ebenfalls ein nahezu einstimmiger Beschluss, der seit 3 Jahren in der Verwaltung hängt. Hier hat es über ein Jahr gedauert, bis alle Beteiligten sich über eine Vorgehensweise geeinigt hatten. Es wurde eine Ausschreibung durchgeführt, die Arbeiten für den Bahnhof Ober-Roden wurden vergeben, umgesetzt ist bis heute nicht. Berichtet wird immer nur auf Anfrage, schuld sei angeblich die Zuständigkeitsfrage bei der deutschen Bahn. Unser Vorwurf hier: wo ein wirklicher Wille vorhanden ist, ist auch ein Weg. Uns fehlt hier der Nachdruck seitens der Stadt.
Verkauf des Bahnhofs Ober-Roden: Beschluss vor 2 ½ Jahren, unterzeichnet ist bis heute nichts, da immer wieder neue Probleme auftauchten (zuletzt Denkmalschutz). Berichtet wird immer nur auf Anfrage.
Kauf des Grundstücks Ober-Rodener Str. 18: Mehrheitsbeschluss zum sofortigen Erwerb des Grundstückes im Februar 2011, im Herbst 2011 erfahren, dass das Grundstück immer noch nicht erworben wurde. Es mag zwar gute Gründe für den Nichterwerb gegeben haben, am Ende mag es klug gewesen sein, denn nun kann das Grundstück direkt an den zukünftigen Nutzer Caritas verkauft werden, aber es bleibt die Tatsache, dass der Beschluss der Stadtverordneten-versammlung nicht umgesetzt wurde. Wenn der Magistrat der Meinung gewesen ist, dass sich gute Gründe ergeben haben, den Stavo-Beschluss nicht umzusetzen, so hätte er eine Vorlage in die Stavo einbringen müssen, diesen Beschluss wieder aufzuheben.
Wiederbesetzungssperre: Meines Wissens nach auch ein einstimmiger Haushaltsbeschluss. Jede freiwerdende Stelle soll erst einmal eine bestimmte Zeitspanne lang (i.d.R. 6 oder 9 Monate) nicht wieder besetzt werden. Dadurch können nicht unerhebliche Personalmittel eingespart werden. Nun gab Bürgermeister Kern in öffentlicher Sitzung wiederholt zu, sich nicht daran gehalten zu haben, weil es nicht ging. Das mag zwar inhaltlich richtig sein, aber formal geht es so nicht.
Interaktive Stadtkarte: Entstanden aus einer Potenzialstudie regenerative Energien in Rödermark wurde der Magistrat im Februar 2010 einstimmig aufgefordert, bis zur Sommerpause 2010 ein Konzept auszuarbeiten, wie u.a. ein Solarpotenzialkatasters erstellt werden und im Internet mit GPS-Daten jedermann zur Verfügung gestellt werden kann. Seitdem nie mehr etwas davon gehört und erst auf meine Anfrage 2011 gehört, dass es irgendwelche Schwierigkeiten gab. Es trifft also nicht nur CDU/FDP-Initiativen.
Die Liste ließe sich bestimmt um weitere 20 Punkte verlängern.
Ich bin zwar kein Jurist, aber ich sehe das Verhalten des Magistrates in den letzten Jahren fast schon als Rechtsbeugung an, eindeutig nicht mit dem Gesetz konform, der Spielraum, den der Magistrat als ausführendes Organ hat, wird ständig überschritten. Es ist keine Ermessenssache des Bürgermeisters, ob er Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung umsetzt oder nicht. Er kann gegen Beschlüsse, die er nicht vertreten kann, Widerspruch einlegen (wovon er bekanntlich schon Gebrauch gemacht hat), er kann eine Vorlage zum Aufheben des Beschlusses erstellen, dem die Stadtverordnetenversammlung dann zustimmen kann, aber die Rödermarker Variante ist vom Gesetzgeber weder vorgesehen noch gedeckt. Aber wo kein Kläger, da kein Richter. Ich bin wie gesagt kein Jurist und definitiv kein Korinthenkacker, der penibel auf die Einhaltung jedes Gesetzesbuchstaben achtet. Ich lasse 5 auch mal gerne gerade sein, wenn er der Sache dienlich ist, aber wenn Beschlüsse nur noch nach Gutdünken umgesetzt werden oder eben gar nicht, dann frage ich mich schon, was wir Stadtverordneten eigentlich noch tun. Wozu braucht man uns noch? Was soll das Ganze, wenn der Magistrat am Ende eh in Eigenregie das tut, was er will? Besonders für eine Oppositionspartei, die keinen Sitz im Magistrat hat, von dieser Informationsquelle also abgeschnitten ist, ist dieser Zustand unerträglich. Die FDP würde es daher sehr begrüßen, wenn auch Rödermark in seinem Ratsinformationssystem ein Tool integrieren würde, dass den Stand der Umsetzung von Beschlüssen protokolliert und zeitnah für alle Stadtverordneten, im Idealfall auch für alle Bürger, einsichtbar macht. Wir als FDP überlegen uns, dieses nach der Einholung von Erfahrungen aus anderen Kommunen für Rödermark zu beantragen.
Fazit
Was haben die Haushaltsberatungen über rund 20 Sitzungstage nun effektiv gebracht? Für die Stadt Rödermark wenig. Das Gesamtdefizit steigt weiter rasant, wir versinken in der Schuldenspirale, die wohl letzte Chance, hier entscheidend gegenzuwirken, wurde von CDU und AL/Grüne vertan. Dennoch denke ich, dass die Beratungen einen hohen Erkenntnisgewinn für Stadtverordnete und Verwaltung gebracht haben, die Sensibilisierung für das Thema Finanzen und Gegenfinanzierung von Ausgaben ist zweifelsohne gestiegen. Sie haben aber auch die Erkenntnis gebracht, dass mit dieser Verwaltungsspitze wirkliche Einsparungen nicht zu realisieren sind. Auch, dass es in der Verwaltung insgesamt an Führung fehlt. Denn nur das, was die Führung vorlebt, kann auch nach unten durchgesetzt werden. In der Verwaltung steckt viel Potenzial, viele Mitarbeiter prangern in privaten Gesprächen durchaus Ineffektivitäten und Bürokratie an, haben sinnvolle Sparvorschläge, sehen die Effizienz des Systems bei weiten nicht ausgeschöpft. Wenn aber von oben kein Reformdruck kommt, kein ernsthafter Wille gezeigt wird, erreichen diese Ideen nur selten die nötigen Hierarchieebenen, um auch umgesetzt zu werden. So wird das nichts.
Von der CDU bin ich wirklich enttäuscht. Weil sie zwar oft richtig redet, aber dann nicht entsprechend handelt. Es ist alles gesagt, ändern können wir eh nichts (ohne wenigsten einen Teil unserer vielschichtigen Wählerschaft zu verärgern), also stecken wir den Kopf in den Sand und harren der Dinge, die da kommen. Das Statement des Kämmerers zum kommunalen Rettungsfond ist ein Offenbarungseid, ein einziger Ausruf der eigenen Hilf- und Ideenlosigkeit. Jetzt soll mal wieder der Bürger entscheiden, wozu die Volksvertreter nicht in der Lage sind. Doch zu diesem Phänomen mehr im Blog „Bürgerbeteiligung – wozu braucht man noch Volksvertreter“.
Eine weitere Erkenntnis ist sicherlich, dass man für Politik keine Argumente und kein Hintergrundwissen braucht – für gute Politik allerdings schon. Daran wird sich auch diese Koalition am Ende der Wahlperiode messen lassen müssen.
Rüdiger Werner
Marienstr. 19
Im April 2012
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Pressemitteilung

Effizienzsteigerung und Verwaltungssparen

Effizienzsteigerung und Verwaltungssparen. Von Dr. Rüdiger Werner und Tobias Kruger

Dr. Rüdiger Werner
Dr. Rüdiger Werner 
Tobias Kruger.
Tobias Kruger.

Artikel von Dr. Rüdiger Werner und Tobias Kruger
20.08.2012
FDP: Zustimmung zum Haushalt 2013 nur unter größtem Vorbehalt
Nur rund 60 % der städtischen Ausgaben sind durch Einnahmen gedeckt. Der Rest muss durch immer neue Kredite finanziert werden. So kann das nicht weitergehen. Schon seit Jahren fordert die FDP eine stärkere Konsolidierung. Man kann nicht auf Dauer mehr ausgeben, als man einnimmt. Auch wenn das bedeutet, dass man liebgewonnene Einrichtungen und Angebote, wie z.B. das Badehaus (1. Mio. € Minus im Jahr), nicht weiterführen kann. So hat die FDP im vergangenen Jahr über 30 konkrete Vorschläge unterbreitet, wie man die Ausgaben senken und die Einnahmen erhöhen könnte. Leider wurden praktisch alle von der regierenden CDU/AL-Grüne-Koalition abgelehnt. Als Ergebnis davon ist der Schuldenstand Rödermarks 2012 erneut um über 8 Mio. € angestiegen.
2013 soll und muss nun endlich alles anders werden. Rödermark soll unter den Kommunalen Schutzschirm des Landes Hessen schlüpfen, ein Teil seiner Schulden wird vom Land übernommen, dafür muss der Haushalt aber bis 2018 ausgeglichen werden – aus heutiger Sicht um rund 10,5 Mio. € muss sich dazu das Ergebnis verbessern. Alle Parteien – mit Ausnahme der SPD – haben sich über die Grundzüge eines Abbaupfades verständigt. Etwa 40 % der Summe soll durch Mehreinnahmen (davon die Hälfte durch Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer) erwirtschaftet werden, 60 % durch Ausgabenkürzungen. „Die Teilnahme am kommunalen Rettungs¬schirm und damit verbunden ein ernsthafter Abbau des jährlichen Defizites ist uns so wichtig“ so FDP-Fraktionsvorsitzender Tobias Kruger, „dass wir dem Haushalt 2013 zustimmen werden, auch wenn es für 2013 ein großes Missverhältnis zwischen Mehreinnahmen und Ausgabenreduktion gibt.“ Von den 2,2 Mio. € Ergebnisverbesserung, die 2013 erzielt werden sollen, stammen nur rund 300.000 € aus Einsparungen, 1,6 Mio. € dagegen durch direkte Mehrbelastungen für den Bürger (Steuererhöhungen, höhere Kinderbetreuungsgebühren). „2013 tritt der Bürger quasi in Vorleistung“, so Kruger weiter, „wir erwarten aber, dass die Grundstruktur des zu beschließenden Abbau¬pfades eingehalten wird und in den Folgejahren fast ausschließlich bei den Ausgaben und in der Verwaltung gekürzt und nicht mehr primär den Bürgern in die Tasche gegriffen wird.“ Wenn 2014 entgegen der Absprache erneut der Bürger übermäßig herangezogen werden sollte, wird die FDP den gemeinsamen Weg nicht weiter mitgehen.
„Es darf nicht sein“, so Kruger weiter, „dass die nötige Konsolidierung nur mit Mehreinnahmen erzielt wird – Steuererhöhungen sind aus Sicht der Liberalen keine Einsparmaßnahmen! Auch uns ist klar, dass es ohne Mehrbelastungen für die Bürger nicht gehen wird, aber im Vordergrund sollte immer die Redu¬zierung der Ausgabenseite stehen. Hier sind auf Verwaltungsseite aus Sicht der FDP Sicht noch lange nicht alle Potenziale ausgeschöpft.“
So hat die FDP ihre Forderung erneuert, verstärkt auf E-Government, auf internetbasierte Verwal-tungsabläufe und Kommunikation mit dem Bürger, zu setzen. Basis dafür wiederum ist eine moderne Homepage, die Bausteine wie ein ‚elektronisches Rathaus’ erst zulässt. Hier hinkt Rödermark um Jahre hinter anderen Kommunen her. „Wir sind überzeugt“, so Fraktions-Vize Dr. Rüdiger Werner, „dass durch konsequente Einführung von E-Government und Effizienzsteigerungen in den Verwaltungsabläufen ein großer Teil der Einsparungen zumindest in den ersten Jahren ohne Leistungseinbußen für den Bürger erzielbar ist.“
Eine Reduzierung aller Aufwendungen um 20 % geht nicht ohne Personal¬abbau. Rund 60 % der städtischen Ausgaben sind Personalaufwendungen. Hier ist die FDP überzeugt, dass ein Großteil des Abbaus durch einen konsequenten Wegfall freiwerdender Stellen und die Nichtverlängerung von Zeitverträgen möglich ist. Am Ende wird man an der einen oder anderen Stelle allerdings nicht ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen. „Es ist eine Frage des Anstandes“, so Tobias Kruger, „dieses ‚Unwort’ auch jetzt schon offen auszusprechen. Alles andere wäre unehrlich und scheinheilig gegenüber den Verwaltungsmitarbeitern.“
„Wir hätten uns gewünscht“, so Tobias Kruger abschließend, „dass schon 2013 erste Einsparungen vorgenommen werden. Dies wäre bei den Sachkosten und freiwilligen Leistungen aus unserer Sicht in hohem sechsstelligem Umfang möglich gewesen. Hier sind wir besonders vom Ersten Stadtrat enttäuscht, der Vorschläge hierzu abgeblockt hat. Bezüglich Einsparungen in der Verwaltung wird 2013 so nach 2012 das zweite komplett verlorene Jahr in Folge.“
Enttäuscht ist die FDP von der SPD: „Das, was die SPD gemacht hat, ist Populismus pur!“, so Dr. Werner. „Natürlich ist es viel einfacher, sich des Sparens zu verweigern und so weiterzumachen wie bisher. Leistungen zu kürzen und die Belastungen für die Bürger zu erhöhen, macht keinem Politiker Spaß, gewiss auch der FDP nicht. Aber der eingeschlagene Weg ist alternativlos. Durch das Verlassen des schmerzlichen, aber richtigen gemeinsamen Weges hat sich die SPD politisch isoliert, sie hat sich unglaubwürdig gemacht.“ (rw/tk)

Pressemitteilung

Bürgerbeteiligung zum Haushalt

FDP: Dilletantismus 2.0 bei der Bürgerbeteiligung zum Haushalt! Von Tobias Kruger

 

Tobias Kruger.
Tobias Kruger.

Tobias Kruger
20.08.2012
Vollmundig hatte die schwarz-grüne Koalition bei der diesjährigen Verabschiedung des Haushaltes versprochen, für den Haushalt 2013 die Bürger aktiv einbinden zu wollen und den Befragungsprozess auszubauen und fortzuschreiben. Aktuell steht der Kämmerer bei diesem Projekt vor einem Scherbenhaufen. Dass bis dato der ausdrücklich beschlossene und extrem wichtige Dialog mit den Eltern in Sachen „Anpassung der KiTa-Gebühren“ noch überhaupt nicht gesucht wurde, ist dabei nicht einmal der Gipfel des Dilletantismus. Größte Peinlichkeit in bester Schildbürgerqualität ist die eigentliche Befragung der Bürgerinnen und Bürger zum Haushalt. An drei Informationsabenden sollten die Bürger sich über den Haushalt informieren können und zugleich die Chance haben, Fragen zum Haushalt an den Kämmerer zu stellen … dumm nur, dass die bunten, 80-seitigen Broschüren, die das städtische Zahlenwerk bürgerverständlich erklären soll(-t-)en, noch nicht einmal in der ohnehin viel zu kurz geplanten Zeit vor den Infoabenden an die Bürgerinnen und Bürger verteilt wurden.
Selbst wenn diese „pünklich“ vor dem Wochenende flächendeckend verteilt worden wären – welcher berufstätige Bürger mit Familie opfert sein Wochenende, um sich in die Haushaltsthematik einzuarbeiten, um dann zu Wochenbeginn früher Feierabend zu machen, nur um Fragen bei den um 18 Uhr terminierten Infoveranstaltungen stellen zu können? Die gesamte zeitliche Planung ist aus Sicht der FDP dilletantisch und völlig lebensfremd. Angesichts dessen stellt sich die Frage: „welcher Bürger wusste denn überhaupt von den Informationsveranstaltungen?“ und: „wollen die politisch Verantwortlichen eigentlich eine wirkliche und ernsthafte Bürgerbeteiligung?“ Statt die Bürger rechtzeitig mit einem kurzen persönlichen Anschreiben zu informieren, gab es erst wenige Tage vor den Veranstaltungen kurze Hinweise auf den hinteren Seiten in der lokalen Presse. Folgerichtig und für die Verantwortlichen höchst peinlich erschien zum Auftakt der Fragerunde kein einziger parteifremder Bürger (mit Parteibackground waren auch nur ganze 4 anwesend) in der Halle Urberach, was bestimmt nicht dem warmen Wetter geschuldet war. Immerhin konnte man es mangels potenzieller Zuhörer dann zumindest verschmerzen, dass der Beamer für die Präsentation des Ersten Stadtrates ohnehin nicht funktionniert hätte … willkommen in Schilda an der Rodau!
Alle (berechtigte) Kritik am aktuellen Verfahren ausgeblendet: Die FDP steht prinzipiell hinter der Bürgerbefragung/-einbindung zum Haushalt – wenn sie denn ernst gemeint ist und zugleich mit dem nötigen Respekt gegenüber den Bürgern durchgeführt wird. Die unstrittig gut gemachte Informationsbroschüre der Finanzverwaltung hätte hierfür ein gelungener Beginn sein können. Die FDP ist sehr gespannt, ob die Ergebnisse der Online-Befragung den schildbürgerhaften Start der Bürgerbeteiligung wett machen können. (tk)
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Blogbeitrag

Straßenbeiträge – muss das sein?

Für Blogartikel sind die jeweils benannten Autoren allein verantwortlich.
Für Blogartikel sind die jeweils benannten Autoren allein verantwortlich.

Wiederkehrende Straßenbeiträge /Straßenbeitragssatzung – muss das sein? – Von Dr. Rüdiger Werner

 

Dr. Rüdiger Werner
Dr. Rüdiger Werner

Dr. Rüdiger Werner
15.03.2013
Um es vorwegzunehmen: Ja, das muss wohl sein. In diesem Blog möchte ich kurz die Unterschiede der beiden Fälle beschreiben, den verbliebenen Handlungsspielraum der Politik aufzeigen, die Größenordnung der neuen Abgabe abschätzen sowie den Standpunkt der FDP beleuchten.
Vorgeschichte
Ein Haushalt wird von der Stadtverordnetenversammlung verabschiedet, in Kraft tritt er aber erst nach seiner Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Das war bis jetzt der Landrat, mit dem Rettungsschirm wird es der Regierungspräsident sein. Die Aufsichtsbehörde ist gesetzlich dazu verpflichtet, defizitäre Haushalte nur zu genehmigen, wenn alle möglichen Einnahmequellen durch eine Gemeinde bereits ausgeschöpft sind. Zu diesen Einnahmequellen gehört auch die Beteiligung der Anlieger an Straßenbaumaßnahmen/Straßensanierungen durch Erschließungsbeiträge bzw. eine Straßenbeitragssatzung. Nach meinem Kenntnisstand forderte die Aufsichtsbehörde erstmals Mitte des vergangenen Jahrzehnts die Einführung einer solchen Satzung. Damals hat sich die CDU/FDP-Koalition dahingehend geeinigt, statt eine Straßenbeitragssatzung zu beschließen die Grundsteuer B um 40 Basispunkte zu erhöhen, somit Mehreinnahmen von etwa 400.000 € zu generieren und um die ungeliebte Straßenbeitragssatzung herumzukommen. Diese Erhöhung sollte zeitlich limitiert sein und bei einem ausgeglichenem Haushalt zurückgenommen werden. Die Realität war eine andere, es kam die Bankenkrise, trotz Grundsteuererhöhung stieg das jährliche Defizit von unter 3 auf über 9 Mill. € an und bei jeder Genehmigung des Haushalts forderte die Aufsichtsbehörde vehement die Einführung einer Straßenbeitragssatzung. Schon 2010 kündigte die Landesregierung an, hier eine Gesetzesänderung auf den Weg zu bringen und das rheinland-pfälzische Modell eines wiederkehrenden Straßenbeitrages auch in Hessen zu ermöglichen. Diese angekündigte Gesetzesänderung gab Kommunen wie Rödermark einen Aufschub, bis zur Verabschiedung des Gesetzes musste hier kein Vollzug gemeldet werden. Nun ist das Gesetz seit einigen Monaten verabschiedet, Rödermark ist weiterhin hochdefizitär und mittlerweile Rettungsschirmkommune. Die Einführung einer Beteiligung der Anwohner an grundhaften Straßensanierungen in Form einer Straßenbeitragssatzung oder wiederkehrender Straßenbeiträge ist daher nun zwangsläufig eine grundsätzliche Bedingung der Aufsichtbehörde zur Genehmigung des Haushaltes, der man sich nicht länger entziehen kann.
Straßenbeitragssatzung oder wiederkehrender Straßenbeiträge?
Straßenbeitragssatzung heißt, dass Anwohner an der grundhaften Sanierung einer Straße finanziell beteiligt werden. Je nach Nutzungsart muss eine Straße alle 40 bis 80 Jahre grundhaft saniert werden, d.h. auch der Unterbau wird erneuert. Dies ist eine Investitionsmaßnahme, an der der Bürger beteiligt werden kann. Anders sieht es mit Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen bis hin zur Erneuerung der Fahrbahndecke aus. Instandhaltungsmaßnahmen werden aus allgemeinen Haushaltsmitteln bestritten, für die der Bürger nicht zur Kasse gebeten werden kann. Wird die Straße, an der ein Bürger wohnt, grundhaft saniert, werden dafür die Kosten errechnet. Die Stadt trägt immer auch einen Eigenanteil. Bei den meisten Straßen in Wohnvierteln sind dies 25 %, bei innerörtlich bedeutsamen Zubringerstraßen sind dies 50 % und bei Straßen von überörtlicher Bedeutung 75 % der Gesamtkosten. Wird z.B. eine Straße in einem Wohnviertel saniert, tragen die Anwohner 75 % der Kosten, die dann nach einem bestimmten Schlüssel auf die Anwohner aufgeteilt werden. Der Anteil einer einzelnen Liegenschaft kann hier schnell einmal 5.000 bis 15.000 € betragen. Hat man als Anwohner diesen Beitrag geleistet, hat man in der Regel für über 50 Jahre Ruhe.
Anders bei den wiederkehrenden Beiträgen. Hier wird der Sanierungsbedarf in einem Abrechnungsbezirk in den nächsten 5 Jahren ermittelt, die summierten Kosten werden dann durch 5 geteilt und auf alle Anwohner in diesem Abrechnungsbezirk verteilt. Jeder Bürger hat daher jedes Jahr einen „wiederkehrenden“ Beitrag zur Sanierung der Straßen zu leisten. Aus der Einmalzahlung wird sozusagen eine Ratenzahlung. Die jährliche Rate kann dabei deutlich variieren, liegt aber im Schnitt nur im niedrigen dreistelligen Bereich. Die Einstufung der Straßen bzgl. Fremdnutzung, d.h. die Einteilung in 25, 50 und 75 % Straßen ist übrigens identisch, die Kommune hat also bei keinem der beiden Modelle einen Vorteil.
Welchen Handlungsspielraum hat die Politik?
Nur einen kleinen. Man kann – wie wir von der FDP – noch so sehr gegen eine Mehrbelastung der Bürger sein, hier hat man keine Wahl, diese Mehrbelastung wird kommen. Es wäre daher unseriös, sich gegen beide Varianten zu positionieren. Der Gesetzgeber lässt ausdrücklich beide Varianten zu, die wichtigste politische Frage ist es also, sich für eine der beiden Möglichkeiten zu entscheiden. Bei den wiederkehrenden Straßenbeiträgen müssen außerdem die Abrechnungsbezirke durch die Politik festgelegt werden. Dies können Wohnbezirke, Ortsteile oder aber auch das ganze Gemeindegebiet sein. Außerdem entscheidet die Politik natürlich auch darüber, welche und wie viele Straßen in einem Jahr saniert werden. Sie entscheidet also in einem Fall darüber, wie viele Bürger mit hohen Einmalbeträgen belastet werden und im anderen Fall, wie hoch der Jahresbetrag für alle Bürger in einem Abrechungsbezirk ausfällt. Gewisse Spielräume gibt es wohl noch bei den Berechnungsgrundlagen der Verteilung der Kosten auf die einzelnen Anwohner. Viel mehr Handlungsspielräume sehe ich im Moment nicht.
Welche Kosten kommen auf die Bürger zu?
Die grundhafte Sanierung einer Straße kostet über den Daumen gepeilt 100 €/qm, d.h. 1.000 € pro Meter Straße (inkl. Bürgersteige). Für den Fall einer 300 m langen Wohnstraße mit 30 anliegenden Grundstücken in einer Gemeinde mit Straßenbeitragssatzung bedeutet dies: Die grundhafte Sanierung kostet etwa 300.000 €, 75.000 € davon zahlt die Stadtkasse, 225.000 € müssen die Bürger zahlen. Angenommen alle Grundstücke sind gleich groß, alle Straßenfronten sind gleich lang und überall stehen gleich große Zweifamilienhäuser, würde jedem Grundstückseigentümer nach der Sanierung eine Rechnung in Höhe von 7.500 € ins Haus flattern.
Der häufigste Fall der Verteilung scheint folgender zu sein: die Grundstücksfläche wird mit einem Nutzungsfaktor multipliziert, der sich u.a. an der Geschosszahl von Wohngebäuden und an der generellen Nutzungsart der Fläche orientiert. Die Berechnung des Nutzungsfaktors wird in der Satzung festgelegt. So wird für jedes Grundstück eine Kennzahl ermittelt, die Kennzahlen aller Anlieger werden aufaddiert, der zu verteilende Betrag wird durch diese Summe der Kennzahlen geteilt und dann mit den Kennzahlen der einzelnen Grundstücke multipliziert, um für jeden Anwohner den exakten Anteil zu berechnen.
Die Berechnung im Falle der wiederkehrenden Straßenbeiträge sähe folgendermaßen aus. Rödermark hat etwa 100 km Gemeindestraßen. Würden alle gleichzeitig grundhaft saniert, würde dies etwas 100 Millionen € kosten. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer einer Straße von 50 Jahren beliefen sich die jährlichen Sanierungskosten auf etwa 2 Mill. €. Wenn man davon ausgeht, dass 75 % der Straßenlänge auf Wohnstraßen fällt, läge der durchschnittliche Anteil der Bürger an den Gesamtkosten bei 65 %, d.h. rund 1,3 Mill. €. Angenommen, die Sanierungen verteilen sich gleichmäßig auf alle Abrechnungsbezirke, ergäbe das bei etwa 7.200 Grundstücken in Rödermark eine Größenordnung von durchschnittlich etwa 180 € pro Grundstück oder 50 € pro Person jährlich. Wobei dies alles immer Durchschnittswerte sind, die je nach Grundstücksgröße, Geschosszahl, Bewohnerzahl und Zahl der im Abrechnungszeitraum tatsächlich sanierten Straßen schwanken können. Die Zahl wird aber immer überschaubar bleiben.
2 Faktoren müssen in diesem Zusammenhang noch erwähnt werden: Grundhafte Sanierungen sind Investitionen, auch der Eigenanteil der Stadt fällt daher meines Erachtens unter die Investitionen und die sind in Rödermark zurzeit durch die selbstauferlegte Schuldenbremse gedeckelt. 2011-2013 waren das jeweils unter 600.000 € im Jahr. Da jedes Möbelstück, jeder Computer, jede neue Software, jedes Spielgerät, jede Parkbank aus diesem Topf bezahlt werden müssen, bleibt für Straßensanierungen so gut wie nichts mehr übrig. Wenn 35 % städtischer Anteil nicht mehr als z.B. 350.000 € sein dürfen (wie z.B. im Haushalt 2012), würden sich auf die Bürger auch nur 650.000 € verteilen, die eben genannten Zahlen würden sich halbieren.
Die Schuldenbremse hat aber auch zur Folge, dass es notgedrungen zu einem Investitionsstau kommt. Daneben ist zu beachten, dass eine Vielzahl von Ortsstraßen während des Baubooms in den 50er und 60er Jahren gebaut wurden und bisher noch nicht saniert wurden. Ganze Wohngebiete wie Breidert oder Jochert wurden in den 70er Jahren hochgezogen, d.h. hier steht in den nächsten 20 Jahren eine Sanierung an. Die Folge ist, dass der Sanierungsbedarf sich nicht gleichmäßig auf die angenommenen 50 Jahre verteilt, sondern in den nächsten 20 Jahren seinen Höhepunkt haben wird. Würde auf der städtischen Seite das Geld bereit stehen, wären also im nächsten Jahrzehnt auch deutlich höhere jährliche Beiträge möglich und notwendig. Da das Geld auf städtischer Seite voraussichtlich aber bei weitem nicht in der benötigten Größenordnung bereit steht und im Zuge der Sparmaßnahmen unter dem Rettungsschirm auch noch die eh schon deutlich zu niedrigen Instandhaltungsbudgets auf ein Minimum zusammengestrichen werden, ist die Konsequenz ein sinkender Bilanzwert unserer Gemeindestraßen und eine dramatische Verschlechterung der Straßenzustände auf 20-Jahre-Sicht.
Erwähnt werden sollte auch noch, dass Straßenbeitragssatzung und wiederkehrende Beiträge sich nicht nur auf Straßen beziehen, sondern auch Plätze, Gehwege, Fußgängerzonen, Radwege, Begleitgrün und einiges mehr mit eingeschlossen sind. Hierfür stehen in der Satzung in der Regel einige, meist für die Anwohner etwas günstigere Beteiligungsprozentsätze.
Warum ich mich für wiederkehrender Straßenbeiträge ausspreche
Keine Frage: die Einführung einer weiteren Abgabe tut uns als bürgerlicher Partei besonders weh. Wir setzen uns ja bekanntlich dafür ein, die Abgabenlast so gering wie möglich zu halten und fordern stattdessen mehr Eigenverantwortung der Bürger ein. In diesem Fall stellt sich aber wie bereits gesagt die Frage gar nicht.
Es bleibt, die Vor- und Nachteile der beiden Varianten gegeneinander abzuwägen und eine Entscheidung zu treffen. Meine Entscheidung ist dabei pro wiederkehrende Beiträge gefallen. Eine Straßenbeitragssatzung hat den Vorteil, dass man sich auf rechtlich sicherem Terrain bewegt. Der Verwaltungsaufwand ist etwas geringer. Nutzungsfaktoren und Kennzahlen sind nur von den anliegenden Grundstücken zu ermitteln, die Zahl der jährlichen Bescheide beträgt je nach Sanierungsplan nur einige wenige bis einige Hundert. Nachteilig sind die hohen Einmalbeträge, die von vielen Anwohnern vermutlich gar nicht zu stemmen sind, die damit verbundenen zu erwartenden Einnahmeausfälle sowie vor allem die Gerechtigkeitsfrage.
Wiederkehrende Straßenbeiträge haben den Vorteil, dass sie zwar wiederkehrend sind, d.h. wie eine zweite Grundsteuer wirken, aber dafür in ihrer Höhe für die allermeisten Personen leistbar sind (wiederkehrende Beiträge sind umlagefähig, sie würden einen ähnlichen Effekt wie eine weitere Grundsteuererhöhung um 50-100 Basispunkte haben). Die Zahl der Zahlungsausfälle wird geringer sein. Dafür ist eine gewisse Rechtsunsicherheit nicht auszuschließen, d.h. es werden mehr Widersprüche und Klagen gegen die Bescheide zu erwarten sein. Der Verwaltungsaufwand ist dagegen unstrittig höher. Es müssen einmalig für alle Grundstücke Nutzungsfaktor und Kennzahl ermittelt werden, es muss eine Vorabschätzung der Sanierungsmaßnahmen der nächsten 5 Jahre erfolgen und eine Nachberechnung nach Ausführung der Arbeiten, die Zahl der jährlichen Bescheide beträgt rund 7.200, bei jeder Änderung im Abrechnungsbezirk (Aufstockung, Neubau, Anbau, Abriss etc.) muss die Aufteilung leicht korrigiert werden. Die Einmalkosten sowie die Overheadkosten sind daher deutlich höher, der Verwaltungsaufwand in Relation zu den erzielten Einnahmen ist zweifelsohne ungünstiger. Aus rein organisatorischer und finanzieller Sichtweise müsste man also für eine Straßenbeitragssatzung stimmen.
Der für mich entscheidende Faktor ist aber die Gerechtigkeit. Jemand wie ich, der in einer 2006 grundsanierten Straße wohnt, wäre fein raus. Voraussichtlich erst 2060 würde ich zur Kasse gebeten werden (wenn ich dann noch leben sollte). Der Kollege in der Straße 200 m weiter soll dagegen 8.000 € auf einen Schlag jetzt zahlen, nur weil er das Pech hatte, dass seine Straße 2014 auf dem Plan stand und meine 2006. Anlieger von Landes- und Bundesstraßen haben diesmal auch ein gutes Los gezogen. Ihre Straßen werden kostenfrei saniert, lediglich für die Gehwege müssen sie einen verschmerzbaren Einmalbeitrag zahlen. Der Kleinunternehmer, der neben seinem Betrieb im Gewerbegebiet wohnt, wird auch betröppelt auf seinen Bescheid schauen. Zwar werden Gewerbestraßen in der Regel mit maximal 50 % Anwohneranteil abgerechnet, aber dafür sind die meisten von ihnen in Rödermark ziemlich marode, müssen in den nächsten 15 Jahren definitiv saniert werden und sind aufgrund ihres größeren Straßenquerschnitts ungleich teurer. Da auch die Grundstücke größer sind und die Zahl der Anwohner geringer ist, können hier schnell hohe fünfstellige Beträge zustande kommen. Paradebeispiel für die Ungerechtigkeit ist jedoch die Witwe, die alleine in ihrem Eigenheim aus den 50 Jahren mit einem großen Grundstück wohnt und jetzt mit einer Rente von 800 € monatlich gerade so über die Runden kommt. Wie soll diese Person einmalig 10.000 € Straßenbeitrag zahlen? Ich bin sicher, dieses Klischee könnte sich auch in Rödermark mehrere Hundert Mal erfüllen. Daher fordere an dieser Stelle auch ich, auch die FDP mehr Solidarität. Lieber wiederkehrende, kleinere Beiträge für alle Bürger als wenige große Einmalbeiträge, gegen sie man sich nicht wehren kann, die man nicht beeinflussen kann und die Existenzen vernichten können. Wenn wir schon eine weitere neue Abgabe einführen müssen, dann bitte so. Das sollte uns auch das Mehr an Verwaltungsaufwand Wert sein.
Ich würde übrigens dafür plädieren, nur 2 Abrechnungsbezirke einzuführen: Urberach, Bulau, Bienengarten und Messenhausen als einen Bezirk und Ober-Roden und Waldacker als einen zweiten Bezirk.
Abschließend möchte ich noch betonen, dass es eigentlich Aufgabe der regierenden Koalition, Aufgabe des Bürgermeisters wäre, der Bevölkerung die Einführung einer weiteren allgemeinen Abgabe zu erklären. Es ist sicher nicht meine Aufgabe als Opposition. Doch dort hat man dieses wichtige Thema immer schön flach gehalten. Erst müsse die Gesetzesvorlage aus Wiesbaden stehen, dann waren Leitbild, Haushalt 2013 und Abbaupfad für den Rettungsschirm wichtiger. Man hat die Grundsteuer kräftig erhöht – anders hätte man bei den selbstverschuldeten zeitlichen Verzögerungen bzgl. Sparpolitik die Vorgaben nicht mehr einhalten können – ohne den Bürger darauf vorzubereiten, dass mit einem Eigenanteil für die Straßensanierung (in welcher Form auch immer) 2013 ganz sicher eine weitere, neue Abgabe im Raum steht. Ob die Bevölkerung bei der Grundsteuererhöhung genauso ruhig geblieben wäre, wenn sie gewusst hätte, dass im gleichen Jahr die Einführung einer weiteren Abgabe beschlossen werden muss? Transparenz und gute Informationspolitik sieht anders aus.
Dr. Rüdiger Werner
Marienstr. 19
11. März 2013
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Blogbeitrag

Erster Stadtrat ehrenamtlich

Erster Stadtrat ehrenamtlich – warum ich dafür bin. Von Dr. Rüdiger Werner

 

Dr. Rüdiger Werner
Dr. Rüdiger Werner

Dr. Rüdiger Werner
06.02.2013
Rödermark wird unter den kommunalen Schutzschirm schlüpfen und sich damit verpflichten, bis 2018 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Das bedeutet, dass bis dorthin das Ergebnis um rund 10,6 Mill. € gegenüber 2012 nachhaltig verbessert werden muss. Das ist erst einmal eine Zahl, die erst dann begreifbar wird, wenn man sie mit anderen Zahlen in Beziehung setzt. So liegt der Gesamtaufwand (ohne Finanzergebnis) 2013 bei rund 29,8 Mill. € (14,2 Mill. € Personalkosten und 15,6 Mill. € Sachkosten inkl. Abschreibungen). Würde man nur den Aufwand reduzieren, müssten 1/3 der Leistungen der Stadt wegfallen! Kennt man das Leistungsspektrum und vor allem die Pflichtaufgaben der Kommune, erkennt man schnell: das ist unrealistisch, das geht nicht! Die zur Verfügung stehenden Einnahmen betragen 2013 vor der Konsolidierung (inkl. Zuweisungen, Zuschüsse und Transferleistungen) rund 21,1 Mill. €. Diese Einnahmen sollen bis 2018 nun auf 25,9 Mill. € erhöht werden (auf Basis der Zuweisungen, Zuschüsse und Transferleistungen von 2012).
Um das Ganze noch plastischer zu machen: Würde Rödermark nicht konsolidieren, würden man von 2013 bis 2018 Ausgaben von 185,6 Mill. € haben bei Einnahmen von 126,6 Mill. €. Dazu käme ein Finanzergebnis von ca. 11 Mill. €, d.h. die Schulden Rödermarks würden um 70 Mill. € steigen, sich quasi verdoppeln.
Mit der jetzt eingeschlagenen Konsolidierung sind bis 2018 Ausgaben von 164,5 Mill. € und Einnahmen von 146,6 Mill. € geplant. Das sind 21 Mill. € weniger Ausgaben, 20 Mill. € mehr Einnahmen und nur noch rund 27 Mill. € neue Schulden (wer wissen will, woher ich die Zahlen habe und wie ich gerechnet habe, möge sich bitte bei mir melden). Diese Zahlen sollte man im Hinterkopf haben, wenn man die Frage des Ersten Stadtrates diskutiert.
Auswirkungen der Konsolidierung
20 Mill. Mehreinnahmen tun weh, vor allem den Bürgern, die sie aufbringen müssen. Höhere Grundsteuer, höhere Hundesteuer, höhere Kinderbetreuungsgebühren, höhere Friedhofsgebühren, höhere Feuerwehrgebühren, höhere Essenspauschalen im Betreuungsbereich, höhere Verwaltungsgebühren, wiederkehrende Straßenbeiträge. Mit den Gebührenerhöhungen kann sich die FDP anfreunden, denn Gebühren dürfen maximal kostendeckend sein, d.h. wenn sie erhöht werden können, war die Dienstleistung bisher vom Steuerzahler subventioniert. Gebührenerhöhungen kann man auch als Subventionsabbau verstehen, dem wir uns nicht verschließen. Mit den Steuererhöhungen haben wir so unsere Schwierigkeiten. Denn für Verwaltungen ist es sicher einfacher, Mehreinnahmen durch Steuererhöhungen zu erzielen als Kostenreduktion durch effektiveres Handeln. Erst wenn ich überzeugt bin, dass wir eine moderne, effektive, schlanke Verwaltung haben, die kein Kostenreduzierungspotenzial mehr aufweist, und die Einnahmen dennoch nicht reichen, die Ausgaben abzudecken, erst dann würde auch ich für weitere Steuererhöhungen stimmen. Im Moment sehe ich Rödermarks Verwaltung an vielen Stellen nicht als modern, effektiv und schlank an (genauso wenig, wie ich das Gefühl habe, dass daran ernsthaft gearbeitet wird). Ebenso schmerzhaft werden die 21 Mill. weniger Ausgaben werden. Ich habe zwar die Hoffnung, dass die Nichtwiederbesetzung freier Stellen zu Effektivitäts¬steige-rungen in der restlichen Verwaltung führen wird, bin aber diesbezüglich eher skeptisch. Wird das Effizienzpotenzial nicht oder nur teilweise genutzt, muss der tatsächliche Leistungswegfall größer ausfallen. Wegfallen sollen u.a. Hausmeister-tätigkeiten, Reinigungsintervalle, Ordnungsdienste, Kulturelle Veranstaltungen, ein Großteil der direkten Vereinsförderung. Stark reduziert werden soll die Straßenbe-leuchtung, der Winterdienst, die Straßenerhaltung, die Pflege des Straßenbegleit-grüns, die Pflege von Friedhöfen, Spielplätzen und Parkanlagen, die Grabenpflege uvm. Einige der angedachten Sparmaßnahmen sind wirtschaftlich zweifelhaft, da die Kosten, um die zu geringe Wartung in den nächsten 10 Jahren auszugleichen, viel höher sein werden als die Einsparsumme. Im Detail werden viele kleinere Dinge, die jetzt nicht aufgeführt sind, nicht mehr finanziert werden.
Was würde der Wegfall der Hauptamtlichkeit Erster Stadtrat bringen?
Genaue Zahlen sind mir nicht bekannt, ich kann nur schätzen. B2-Besoldung sind rund 6250 € + Zuschläge + Beihilfe + Pensionsrückstellungen + Spesen + Zulagen + Vergünstigungen + Büro + Sachkosten Büro. Da kommt man bestimmt auf über 10.000 € Personalkosten und 2.000 € Sachkosten im Monat. Ein ehrenamtlicher Erster Stadtrat kommt mit Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgeldern, Büro + Sachkosten/Spesen geschätzt auf mindestens 1.500 € Kosten im Monat. Die konkrete Einsparung liegt also in der Größenordnung 130.000 € im Jahr. Wirksam ab Juli 2013, macht bis 2018 etwa 720.000 €. Das sind also rund 2 % der jährlichen Einsparsumme, aber, da die Einsparung ja schon 2013 wirksam wird, 3,4 % der gesamten Konsolidierungssumme. Hört sich auf der einen Seite nicht viel an, auf der anderen Seite könnte man dafür die Einsparungen bei Straßensanierung, Grünpflege oder Vereinsförderung weniger drastisch ausfallen lassen. Zwei weitere Argumente für diese Einsparmaßnahme: Die meisten geplanten Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung sind mehr Wünsche als konkrete Schritte, es sind Schätzungen, die auf vielen unbekannten Variablen aufbauen. Die Abschaffung der Hauptamtlichkeit ist dagegen eine ganz konkrete und sofort wirksame Maßnahme. Zum anderen hängt an der Position des Ersten Stadtrates zurzeit auch ein Vorzimmer mit 2 Mitarbeiterinnen. Diese Personen könnten dann einen Großteil ihrer Arbeit in andere Bereiche verlagern und damit andere Kollegen entlasten, die von den Sparmaßnahmen besonders hart getroffen werden. Ich und meine Partei sehen die Auswirkungen des Wegfalls der Hauptamtlichkeit als deutlich weniger dramatisch an als viele der einzelnen Sparmaßnahmen.
Nichts bleibt so, wie es vorher war, warum sollen dann gerade die politisch besetzten Stellen an der Verwaltungsspitze davon ausgenommen sein? Oben sparen ist angesagt!
Aufgaben des Ersten Stadtrates
Der Erste Stadtrat ist in erster Linie der Stellvertreter des Bürgermeisters. Dies betrifft Vertragsunterzeichnungen, Sitzungsleitungen, Wahrnehmung von Terminen, Ehrungen etc. Diese Dinge kann auch ein Ehrenamtlicher mit dem entsprechenden Zeitbudget wahrnehmen. Daneben kann der Bürgermeister Stadträten die Leitung von Dezernaten antragen. In aller Regel macht er das bei Hauptamtlichen, es gibt allerdings auch genügend Beispiele, wo Ehrenamtliche Dezernate leiten. Welche Dezernate das sind, entscheidet der Bürgermeister. Ehrenamtliche Stadträte brauchen so oder so ein gewisses Zeitbudget für ihre Ehrenamt. Wöchentliche Magistratssitzungen, Stadtverordnetenversammlungen, dazu jede Menge Kommissionen und Ausschüsse, der eine oder andere offizielle Termin als Vertreter der Stadt, dazu viele weitere öffentliche Termine, wo es sich als Stadtrat schickt, dabei zu sein. Da kommen schnell mal 10–15 h pro Woche zusammen. Ganz umsonst macht man das nicht, Aufwandsentschädigung und Sitzungsgelder führen zu rund 500 € monatliche Einnahmen. Übernimmt man ein Dezernat, erhöht sich der Aufwand um geschätzte 5–10 h. Als Vollberufstätiger kann man das kaum leisten. Daher findet man in den Magistraten auch selten Personen mit einer beruflichen´40-Stunden-Woche.
Die Frage, ob ein Ehrenamtlicher den Posten des Ersten Stadtrates ausfüllen kann, inklusive einer Dezernatsverantwortung, lässt sich daher klar beantworten: Ein normaler Arbeitnehmer kann das nicht. Ist man aber bereits im Ruhestand, arbeitet Teilzeit oder hat seine Schäfchen sonst irgendwie bereits im Trocknen, bringt den nötigen Enthusiasmus mit und besitzt im besten Fall schon Verwaltungserfahrung, dann ist das durchaus denkbar. So gibt es einige Gemeinden ähnlicher Größe wie Rödermark, die diesen Weg gehen: höhere Zahl ehrenamtlicher Stadträte, die dann kleine Teilbereiche der Verwaltung führen, so dass keiner überfordert ist.
Man muss außerdem bedenken: Erster Stadtrat ist in aller Regel ein politisch besetzter Posten, d.h. die nominierte Person bringt anfangs selten die benötigten Qualifikationen mit, sei es in Personalführung, in Verwaltungsarbeit, in Personalrecht, in Haushaltsführung. Auch der jetzige Erste Stadtrat Alexander Sturm war in seinen ersten Jahren wenig souverän, hat sich in viele Fettnäpfchen gesetzt und war innerhalb der Verwaltung nicht gerade als führungsstark bekannt. Heute sieht das nach meiner Kenntnis anders aus, erst in den letzten Jahren ist er sein Geld auch in vollem Umfang wert. Bei einem neuen, politisch installierter Ersten Stadtrat würde die Eingewöhnungsphase genau in die Phase des Gesundschrumpfens, des Umbruchs liegen, als 2. Verwaltungschef mit mehreren Verantwortungsbereichen kann er daher mangels Erfahrung sein Geld kaum wert sein. Gerade in diesen kommenden Jahren kann man daher auf die Hauptamtlichkeit verzichten. Zumal von dem Kandidaten der CDU/AL-Koalition ja seit langem gemunkelt wird, dass sein Endziel nicht im Ersten Stadtrat, sondern in der Beerbung von Roland Kern als Bürgermeister liegt. Er wäre also, wenn es gut für ihn läuft, genau am Ende der Eingewöhnungszeit wieder weg vom jetzt angestrebten Posten.
Alles Gründe, die dafür sprechen, jetzt die Chance zu nutzen, die Satzung zu ändern und bis auf Weiteres die Position des Ersten Stadtrates nur noch ehrenamtlich zu führen.
Der Kandidat Jörg Rotter
Zwei Dinge müssen an dieser Stelle deutlich gesagt werden:
1. ist die Motivation der FDP – wie auch der anderen Oppositionsparteien – definitiv nicht personenbezogen. Es gibt einen Wechsel und aus den eben genannten Gründen und unter den bekannten Umständen muss eine Abwägung erfolgen, ob ein hauptamtlicher Erster Stadtrat noch zeitgemäß ist. Das haben wir gemacht mit dem bekannten Ergebnis. Niemand aus der FDP hat sich oder wird sich in irgendeiner Weise zu den Qualifikationen des Kandidaten der Koalition äußern.
2. finde ich es ein Unding, was einige Kommentatoren in den Internetforen mit dem Kandidaten veranstalten. Personenbezogener Spott oder gar Beleidigungen haben an dieser Stelle nichts zu suchen!
Es war und ist nicht unsere Absicht, die Person Jörg Rotter zu beschädigen. Ich gebe gerne zu, ich war anfangs skeptisch, ob er für höhere Aufgaben, sprich Stadtverord¬netenvorsteher, geeignet ist, gebe nun aber genauso gerne zu, dass er diesen Job aus meiner Sicht ausgezeichnet macht: Ruhig, höflich, unparteiisch. Insofern kann ich mir Jörg Rotter auch sehr gut als respektablen Bürgermeisterkandidat mit sehr guten Chancen auf Nachfolge von Roland Kern vorstellen (Natürlich wäre mir ein FDP-Bürgermeister noch etwas lieber, aber ich bezweifle, dass meine Überzeugungskraft ausreicht, die Bevölkerung dazu zu bewegen). Ich sehe auch nicht, dass unser Begehren diesen Weg in irgendeiner Art untergräbt. Es spricht aus meiner Sicht überhaupt nichts gegen einen Ersten Stadtrat und damit Stellvertreter des Bürgermeisters Jörg Rotter. Nur halt auf ehrenamtlicher Basis und nicht als Berufspolitiker.
Laut gedacht
Mehr als die Hälfte der Arbeitszeit des Ersten Stadtrates geht für Sitzungen und repräsentative Aufgaben drauf. Diesen Part kann auch ein ehrenamtlicher Stadtrat übernehmen, hier hat Jörg Rotter sicherlich besondere Qualitäten. Es muss ja auch nicht gleich ein halber Arbeitstag für das Ehrenamt sein. Wenn überall in der Verwaltung gespart wird und es Einschränkungen gibt, gibt es sicherlich auch hohes Verständnis in der Bürgerschaft, wenn der Bürgermeister und seine Stellvertreter nicht mehr bei jedem Jubiläum anwesend sind, nicht mehr jede gesellschaftliche Einladung annehmen. So schafft man sich Zeit für die Führung der Verwaltung, die man in den kommenden Jahren des Umbruchs sicher benötigt. Und wenn man sich die Zusammensetzung des ehrenamtlichen Magistrates anschaut, würde ich als Bürgermeister meine Magistratskollegen doch fragen, ob sie sich folgende Aufgabenteilung vorstellen können: Erster Stadtrat Jörg Rotter als Dezernent für Kinder, Familie und Soziales, Sylvia Baumer als Kulturdezernentin und Sven Sulzmann als Dezernent für Öffentliche Ordnung, alle anderen Dezernate einschließlich der Kämmerei liegen beim Bürgermeister. Ich weiß nicht, ob die genannten Personen das so wollen, aber es wäre zumindest eine sinnvolle Alternative zu zwei Hauptamtlichen an der Verwaltungsspitze der Rettungsschirmkommune Rödermark.
Dr. Rüdiger Werner
Marienstr. 19
6. Februar 2013
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