Stavo-Bericht

Denkwürdige Stadtverordnetenversammlung

Die Stadtverordnetenversammlung am 20. Mai 2025 war eine denkwürdige, die es so in den letzten 20 Jahren noch nie gab.

Die Brisanz entstand aus dem Zwang der Verwaltung, die Einnahmen der Stadt deutlich zu erhöhen, um einer drohenden Zahlungsunfähigkeit im Herbst zu entkommen. Dieser Zwang mündete in 3 Beschlussvorlagen, die insgesamt knapp 4 ½ Millionen € mehr in die Kasse spülen sollten. Das ist zum einen die Erhöhung der Spielapparatesteuer, die bei Ablehnung durch die freien Wähler vom Rest des Hauses beschlossen wurde. Zum anderen sollten die Kita-Gebühren spürbar angehoben werden. Da die Elternbeiträge nur noch einen Bruchteil der Kosten decken, liegt das Volumen der Erhöhung nur im niedrigen sechsstelligen Bereich. Und zu guter Letzt die Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes um 450 Prozentpunkte, d.h. eine Steigerung um 56,5 %.

Normalerweise interessieren sich die wenigsten Bürger für die Politik vor Ort, auch wenn die Entscheidungen sie meist unmittelbar betreffen. Die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung haben in der Regel zwischen 5 und 20 Zuschauer. Am 20. Mai war das anders. Nachdem einige Bürger von den Plänen mitbekommen haben, kam es zu aufgeheizten Debatten in den sozialen Netzwerken, gefolgt von dem Aufruf, doch zur Abstimmung zu kommen und so seinen Unmut zu zeigen. Und die Bürger kamen. Am Ende waren es über 150, was auf jeden Fall einen neuen Rekord in diesem Jahrtausend darstellt.
Vielen Dank an alle Bürger, die damit gezeigt haben, dass es Ihnen doch nicht egal ist, was von der Kommunalpolitik beschlossen wird.

Was die Bürger nicht wissen konnten – und die meisten Stadtverordneten auch nicht – war, dass die erwartete Debatte über die Grundsteuererhöhung an diesem Abend nicht stattfinden wird. Denn vor allem die CDU hatte „Muffensausen“. Nach der Abstimmung im Ausschuss war klar, dass die Opposition (SPD, FWR, FDP) die Erhöhung nicht mittragen wird. Die Kritik würde sich also auf die Koalition aus CDU/AL-Grüne und den Bürgermeister konzentrieren. Und dann gab es an diesem Dienstag auch noch einen Pressebericht aus Dietzenbach, wo es die Fraktionen geschafft haben, durch Sparbeschlüsse eine Grundsteuererhöhung vorerst zu verhindern. Aus diesem Grund legte die Koalition eine halbe Stunde vor Sitzungsbeginn einen Änderungsantrag vor (das ist erlaubt, aber kein guter Stil). Darin steht viel Schwammiges, nicht Konkretes. Der Magistrat wird aufgefordert, Sparvorschläge zu erarbeiten, mit dem Ziel, die Bürger weniger zu belasten. Auf der nächsten Stadtverordnetenversammlung soll dann darüber abgestimmt werden. Der 17. Juni bietet die letzte Gelegenheit, die Grundsteuer noch rückwirkend zu erhöhen.

Dieser Antrag kam so kurzfristig, dass sich niemand mit dem Inhalt befassen und ihn parteiintern diskutieren konnte. Eine Abstimmung darüber war unmöglich. Folglich hat man sich geeinigt, dass der Bürgermeister die Magistratsvorlage über die Grundsteuererhöhung zurückzieht. Damit wird an diesem Abend das Thema gar nicht erst aufgerufen – und die Bürger sind quasi umsonst gekommen.


Einschub: Wertung aus Sicht der FDP: Das war wahrlich ein kluger Schachzug der Koalitionsspitze. Dem Bürger wird so suggeriert: wir wollen diese Mehrbelastung ja nicht und tun alles, damit diese so nicht kommt. Dazu kommt, dass der Auftrag, Einsparvorschläge zu erarbeiten, an den Magistrat geht. Wenn es zu Einsparungen kommt, die zu einer verminderten Erhöhung der Grundsteuer führen, war es der Bürgermeister gewesen, dem das zu verdanken ist. Der Bürgermeister kann dann weiter unwidersprochen behaupten, aus der Opposition kamen keine Sparvorschläge.

Die Wahrheit ist, dass die Finanzmisere nicht vom Himmel gefallen ist, es war lange absehbar, dass diese Probleme auftauchen werden. Bürgermeisterkandidat Heino Claussen-Markefka hat im Wahlkampf immer wieder darauf hingewiesen, andere Kommunen haben sich bereits 2024 intensiv damit beschäftigt. Anderswo gab es Klausurtagungen, interfraktionelle Arbeitsgruppen, die jede einzelne Ausgabeposition durchgesprochen und nach Einsparmöglichkeit durchforstet haben. Das Ergebnis sieht man z.B. in Dietzenbach. In Rödermark gab es nur einen kleinen Arbeitskreis Haushalt, in dem eigentlich nur Zahlen präsentiert wurden, Ausgabendetails aber nicht diskutiert wurden. Es gab keine Haushaltsberatungen, in denen Einsparmöglichkeiten durch Fraktionen vorgeschlagen werden konnten. Man hatte fast ein Jahr Zeit, das zu tun, was der Bürgermeister nun in 3 Wochen tun soll. Das ist beschämend und wird von der FDP kritisiert. Letztendlich gab es bislang keine sichtbaren Bemühungen, die Ausgaben zu kürzen, so dass am Ende nur die Einnahmeerhöhung in Form einer massiven Grundsteuererhöhung auf dem Tisch lag. Auf diese Sparunwilligkeit der Regierung hätte die Opposition in ihren Reden verwiesen, durch den Schachzug der Koalition wird das nun umgekehrt.


Die FDP begrüßt jeden Versuch, die Belastungen der Bürger zu verringern, ist jedoch skeptisch, dass in der Kürze der Zeit ein großer Durchbruch gelingen wird.

Mit der Debatte um die Grundsteuererhöhung wurden auch die Tagesordnungspunkte um die Erhöhung der Kita-Gebühren und die Personalkosteneinsparungen zurückgezogen und damit nicht diskutiert.

Redebeiträge aller Fraktionen gab es nur zum SPD-Antrag zur Durchsetzung des Konnexitätsprinzips. Die Stadt soll auflisten, welche Aufgaben konkret durch Bundes- oder Landesgesetz auf die Kommunen übertragen werden sollen und wie groß die jeweilige Unterfinanzierung dieser Aufgaben ist. Eine Klage soll vorbereitet werden, bestenfalls zusammen mit anderen Kommunen. Dieser Tagesordnungspunkt wurde einstimmig beschlossen. Allerdings ging außer der FDP keine Fraktion darauf ein, woher Bund und Land die Gelder nehmen sollen, die sie den Kommunen vorenthalten? Es wird weiter ignoriert, dass wenn der Gesamtkuchen kleiner wird, sich nicht jeder ein größeres Stück davon nehmen kann und trotzdem alle satt werden. Das funktioniert nicht.

Und so war diese denkwürdige Stadtverordnetenversammlung mit einer Rekordzahl an Zuschauern bereits nach 80 min zu Ende.